Sagen Die Sage vom Rabensteine in Budissin

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Noch vor wenigen Jahren sah man vor dem Haupttor der Stadt Budissin am Abhange des Rabenberges ein verfallenes Gemäuer, welches in der Form eines Halbkreises Dornen und Disteln barg. Eine schmale, zum Teil verschüttete Treppe führte vom Fuße des Abhanges in das Innere des Halbzirkels und in der Mitte des Gemäuers gewahrte man ein vermauertes Pförtchen, das unstreitig als Tür zu dem größtenteils mit Erde und Steinen angefüllten Gewölbe geführt hatte. Das hieß der Rabenstein. An seine Trümmer, die man jetzt nicht mehr sieht, knüpft sich eine Sage, und noch heute wird der Ort nicht für geheuer gehalten, denn in der Dämmerung soll sich zuweilen eine weiße Gestalt blicken lassen. Jene Sage lautet also: Einst soll ein Bürgermeister von Budissin eine wunderschöne Tochter gehabt haben, um deren Hand die reichsten und schönsten Jünglinge der Stadt und Umgegend vergebens warben.

Vorzüglich bemühte sich ein reicher Kaufmannssohn, der aber von Seiten seines Charakters nicht den besten Ruf hatte, ihre Liebe zu gewinnen. Da er ein schöner Mann war und seine Verhältnisse glänzend, wäre es ihm vielleicht geglückt, der Jungfrau Herz zu erobern, allein da begab es sich, dass dieselbe eines Morgens den Rabenberg erstieg, um sich an der herrlichen Aussicht von diesem Punkte aus zu erfreuen und hier einem fremden Ritter begegnete, der sie um den nächsten Weg nach der Stadt fragte. Noch nie hatte der Anblick eines Mannes einen so tiefen Eindruck auf ihr reines Gemüt gemacht als in diesem Augenblicke, und als nun an demselben Tage ihr Vater ihr denselben Jüngling als einen an den Rat der Stadt gesendeten kaiserlichen Gesandten vorstellte, widersprach sie ihm nicht, als derselbe von gleicher Neigung entzündet, ihr sein Herz und seine Hand anbot. Nicht lange dauerte es, so ward die Hochzeit der beiden Liebenden gefeiert, nur ein Mensch schwur ihnen Rache, und dies war der zurückgewiesene Freier. Derselbe verheiratete sich bald darauf selbst und schien allen Gedanken an seine frühere Geliebte entsagt zu haben. Da begab es sich, dass der Gemahl der schönen Bürgermeistertochter zum Kaiser entboten ward und sie mit ihrem Knäblein, das sie demselben kurz zuvor geboren, allein zu Hause war, da sie ihre Dienerin frei gegeben hatte. Diese Gelegenheit benutzte jener tückische Bösewicht, schlich sich ins Haus, und während Mutter und Kind im süßen Schlafe lagen, ermordete er gefühllos das unschuldige Wesen. Als nun aber das unglückliche Weib erwachte und ihr Kind im Blute sah, da vergingen ihr die Sinne, und als sie wieder zu sich kam, fand sie sich im Kerker wieder.

Sie hatte in der Oberlausitzer-Geschichte.de Fieberhitze sich als Mörderin ihres Säuglings angeklagt, und unbarmherzige Richter verurteilten sie schonungslos zum Tode, denn da ihre Eltern gestorben und ihr Gatte weit entfernt war, hatte sie Niemanden, der sich ihrer angenommen hätte. Als die Unglückliche den ungerechten Spruch vernahm, rief sie: „ich bin unschuldig, ein Wunder wird die Wahrheit meiner Worte bestätigen.“ Doch nichts half ihr Beteuern, sie ward auf den Rabenstein geschleift, und in demselben Augenblicke, wo ihr Gatte in die Mauern Budissins einritt, voll Freude, sein Weib und Kind wieder umarmen zu können, zerbrach der Scharfrichter ihre Glieder auf dem Richtplatze. Siehe da spaltete sich auf einmal das Gemäuer des Hochgerichts in drei Teile, und als ihr unglücklicher Gatte sie noch einmal in schrecklich verstümmelter Gestalt gesehen hatte, stürzte er sich verzweifelnd in sein Schwert. Ihren Verderber aber ließ es keine Ruhe, er klagte sich selbst an und konnte den Augenblicks seines Todes kaum erwarten. Das finstere Gewölbe des Rabensteins umschloss auch seinen Leichnam, doch seine Seele hatte keine Ruhe. Sobald die Dämmerung ihre finsteren Schatten ausbreitete, sah man fortan eine weiße Gestalt über den Rabenstein wandeln, bittend die Hände gen Himmel erheben und dann plötzlich wieder verschwinden.